Das Urlaubsrecht ist ständigen Änderungen durch Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie des Bundesarbeitsgerichts (BAG) unterworfen. Auch aktuell ergeben sich wiederum neue Regularien, die seitens der Arbeitgeber künftig bei gesetzlichen Urlaubsansprüchen zu beachten sind. Konkret betrifft dies die Verjährung von Urlaubsansprüchen unter Berücksichtigung der Hinweispflichten des Arbeitgebers. Dazu sind aktuell mehrere Entscheidungen des BAG ergangen, die in der Praxis zu berücksichtigen sind.

Die Urlaubsgrundsätze sowie die konkreten Änderungen und Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber haben wir Ihnen nachfolgend zusammengefasst:

Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz und bestehende Hinweispflichten des Arbeitgebers

Urlaub ist nach den gesetzlichen Regelungen grundsätzlich in dem jeweiligen Kalenderjahr in Anspruch zu nehmen, wie sich aus § 7 Abs.3 BUrlG ergibt. Andernfalls droht der Verfall des Urlaubsanspruchs. Eine Übertragung des Urlaubsanspruchs erfolgt nach der Konzeption des Gesetzgebers nur, wenn dieser aus dringenden betrieblichen oder dringenden persönlichen Gründen im betreffenden Kalenderjahr nicht genommen werden konnte. In diesen Fällen muss der übertragene Urlaub dann aber grundsätzlich in den ersten drei Monaten, also bis zum 31.März, genommen werden (vgl. § 7 Abs.3 BUrlG).

Diese gesetzlichen Regelungen haben durch die Vorgaben des EuGHs und durch die Umsetzung des BAG bereits im Jahr 2019 Einschränkungen dahingehend erfahren, dass der Urlaubsanspruch nicht mehr automatisch am Jahresende (bzw. zum 31.03.) verfällt, sondern nur noch dann, wenn der Arbeitgeber seinen aus Sicht der Rechtsprechung erforderlichen Hinweispflichten (auch Mitwirkungsobliegenheit) ordnungsgemäß nachgekommen ist.

Nach Auffassung der Rechtsprechung sind Arbeitgeber nämlich dazu verpflichtet, ihre Mitarbeiter rechtzeitig und konkret auf ihre jeweils bestehenden Urlaubsansprüche sowie auf den drohenden Verfall des Urlaubs bei Nichtbeantragung des Urlaubs hinzuweisen. Arbeitgeber sind also dazu angehalten, die Arbeitnehmer rechtzeitig in die Lage zu versetzen, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen.

Ein genereller Aushang am schwarzen Brett oder allgemeiner Hinweis im Arbeitsvertrag genügen nicht, der Arbeitnehmer ist vielmehr konkret auf seinen noch bestehenden Urlaubsanspruch und die Folgen der Nichtbeantragung des Urlaubs hinzuweisen. Die Beweislast trägt dafür der Arbeitgeber, so dass ein nachweisbarerer Hinweis zu empfehlen ist (vgl. auch unten bei Handlungsempfehlungen).

Bei Missachtung der arbeitgeberseitigen Pflichten verfallen Urlaubsansprüche nicht mit Ablauf des betreffenden Kalenderjahres, vielmehr steht dem Arbeitnehmer nicht genommener Urlaub auch noch im Folgejahr zu. Die Hinweis- und Aufforderungspflichten gelten dann im Folgejahr wiederum entsprechend, sodass verbleibende Urlaubstage möglicherweise über mehrere Jahre „mitgenommen“ werden können. Die Hinweispflicht des Arbeitgebers umfasst somit auch Urlaub aus vergangenen Jahren. Die Rechtsprechung gewährte keinen Vertrauensschutz hinsichtlich des Verfalls von Urlaubsansprüchen aus vergangenen Jahren, so dass die zuvor aufgeführten Rechtsfolgen streng genommen auch für Urlaubsansprüche seit Inkrafttreten der die Mitwirkungsobliegenheit herbeiführenden unionsrechtlichen Vorschrift Art. 7 RL 2003/88/EG im November 2003 gelten.

Verjährung von Urlaubsansprüchen im laufenden Arbeitsverhältnis

Fraglich war, ob bei nicht verfallenen gesetzlichen Urlaubsansprüchen zumindest die gesetzlichen Verjährungsregelungen greifen. Mit dieser Frage hatte sich aktuell die Rechtsprechung zu befassen und hat ihre Auffassung hinsichtlich der Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers fortgeführt. Grundsätzlich gilt zwar auch für nicht verfallene gesetzliche Urlaubsansprüche die Regelverjährungsfrist von 3 Jahren (§ 195 BGB). Das BAG (vgl. Urt. v. 20.12.2022 – 9 AZR 266/20) kommt aber in europarechtskonformer Auslegung des § 199 Abs.1 BGB zu dem Schluss, dass die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende desjenigen Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf seinen konkret ausstehenden Resturlaub hingewiesen und den möglichen Verfall belehrt hat. Fristbeginn ist somit nicht zwangsläufig Ende des Urlaubsjahres.

Halten also Arbeitgeber ihre Mitwirkungsobliegenheit nicht ein, kann der noch ausstehende Urlaub aus möglicherweise mehreren Jahren im laufenden Arbeitsverhältnis weder verfallen noch verjähren. Damit setzte das BAG eine Entscheidung des EuGHs aus September 2022 um, welche die Arbeitnehmerrechte weiter verstärkt.

Abgeltung des Urlaubsanspruchs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind noch offene Urlaubsansprüche grundsätzlich nach § 7 Abs.4 BUrlG abzugelten, d.h. nicht verfallene und nicht verjährte Urlaubsansprüche, die wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden können, sind finanziell abzugelten. Hinsichtlich des Urlaubsabgeltungsanspruchs gilt ebenfalls die dreijährige Verjährungsfrist. Das BAG hat hierzu allerdings – zur Erleichterung für Arbeitgeber – Anfang dieses Jahres (vgl. Urt. v. 31.01.2023 – Az. 9 AZR 456/20) festgestellt, dass die Verjährungsfrist für den Urlaubsabgeltungsanspruch am Ende des Jahres beginnt, in dem das Arbeitsverhältnis endet, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seine Mitwirkungs- und Hinweispflicht erfüllt hat. Begründet wird dies damit, dass die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers (dieser wird im Rahmen des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich als besonders schutzbedürftig angesehen) mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet, die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses also eine Zäsur darstellt. Darüber hinaus dient der Urlaubsabgeltungsanspruch anders als der Urlaubsanspruch lediglich der finanziellen Kompensation und bezweckt nicht die tatsächliche Erholung des Arbeitnehmers.

Erfreulicherweise hat das BAG in einer weiteren Entscheidung vom 31.01.2023 (Az. 9 AZR 244/20) auch nochmals klargestellt und damit seine bisherige Linie fortgeführt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch bereits (tariflichen) Ausschlussfristen unterfällt.

Urlaub und Langzeiterkrankung

Eine (konsequente) Fortentwicklung der Rechtsprechung gab es auch bei Urlaubsansprüchen langzeiterkrankter Arbeitnehmer. Bislang verfiel der Urlaubsanspruch bei einer ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit ohne weiteres 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres.

In Umsetzung der Vorgaben des EuGHs ist nach der Entscheidung des BAG vom 20.12.2022 (Az. 9 AZR 245/19) bei Langzeiterkrankten zukünftig für den Verfall des Urlaubs zu differenzieren:

Danach verfällt der Urlaubsanspruch bei langjährig arbeitsunfähigen Arbeitnehmern jeweils 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahrs weiterhin, wenn diese seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend nicht gearbeitet haben, also gesundheitlich gehindert waren, den Urlaub anzutreten. Für diesen Fall kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten nachgekommen ist, weil diese nicht zur Inanspruchnahme des Urlaubs hätten beitragen können.

Hat der Arbeitnehmer jedoch im Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet (und sei es auch nur teilweise), bevor er arbeitsunfähig erkrankt ist, verfällt der Urlaubsanspruch unter Berücksichtigung der 15 Monatsfrist nur, wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheit erfüllt hat.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Da die Rechtsprechung sich im Hinblick auf die Nichtbefolgung der Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers bei Urlaubsansprüchen weiter verschärft hat, ist Arbeitgebern dringend zu empfehlen, ihren Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten sorgfältig und belegbar nachzukommen. Soweit nicht bereits erfolgt, ist jetzt ein Prozess zu implementieren, der gewährleistet, dass die Arbeitnehmer jeweils Anfang des Jahres und bestenfalls zusätzlich in der zweiten Jahreshälfte konkret über ihren noch ausstehenden Urlaubsanspruch im Kalenderjahr inklusive des noch nicht verfallenen Resturlaubs aus Vorjahren sowie die Konsequenzen der Nichtbeantragung (also des Verfalls) hingewiesen werden. Die möglichst frühzeitig im neuen Urlaubsjahr erfolgenden Hinweise des Arbeitgebers sind auch im Hinblick von Urlaubsansprüchen Langzeiterkrankter relevant, weil dadurch ggf. erreicht werden kann, dass auch die Urlaubsansprüche bei Eintritt von Arbeitsunfähigkeit für das betreffende Kalenderjahr nach Ablauf von 15 Monaten verfallen.

Der Arbeitgeber kann seine Mitwirkungsobliegenheiten zum Beispiel dadurch erfüllen, dass er dem Arbeitnehmer zu Beginn des Kalenderjahres in Textform mitteilt, wie viele Arbeitstage Urlaub im Kalenderjahr sowie etwaiger Resturlaub bestehen, ihn auffordert, seinen Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres genommen werden kann, und ihn über die Konsequenzen belehrt, die eintreten, wenn dieser den Urlaub nicht entsprechend der Aufforderung beantragt. Es sollte auf eine nachweisbare Belehrung geachtet werden, beispielsweise durch eine Empfangsbestätigung der Belehrung. Teilweise wird auch die Aufnahme der Hinweise in der Gehaltsabrechnung empfohlen, wobei diese dann in jedem Fall optisch hervorgehoben werden müssten und im Übrigen auch den Anforderungen der Rechtsprechung genügen müssten. Eine laufende Aktualisierung im Falle genommenen Urlaubs wird hingegen nicht gefordert.

Sofern den Hinweispflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen wird, können sich Arbeitgeber nicht mehr wirksam auf den Verfall oder die Verjährung von Urlaubsansprüchen berufen. Bei ausgeschiedenen Mitarbeitern und diesen zustehenden Urlaubsabgeltungsansprüchen verbleibt es dabei, dass die 3-jährige Verjährungsfrist gilt und auch ohne Zutun des Arbeitgebers zu laufen beginnt. Insofern sind Unternehmen Urlaubsabgeltungsansprüchen ausgeschiedener Mitarbeiter zwar höchstens innerhalb der Regelverjährungsfrist ausgesetzt, die Höhe der Ansprüche kann durch angehäufte Urlaubsansprüche vergangener Jahre jedoch wirtschaftlich beträchtlich sein. Mittelbar kommt es somit auch in diesem Fall auf die Einhaltung der Hinweispflichten an.

Die aktuellen Entscheidungen zeigen schließlich, dass Unternehmen auch im Bereich des Urlaubsrechts gut beraten sind, ein besonderes Augenmerk auf die Arbeitsvertragsgestaltung zu richten. So können etwa arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Ausschlussfristen bei Urlaubsabgeltungsansprüchen dazu führen, dass diese abweichend von den Verjährungsfristen nur innerhalb kurzer Zeit nach dem Ausscheiden geltend gemacht werden können. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Ausschlussfristen rechtlich wirksam gestaltet sind und den aktuellen Anforderungen der Rechtsprechung entsprechen. Da die Hinweispflichten grundsätzlich zwingend nur für den gesetzlichen Mindesturlaub gelten, ist weiterhin eine konkrete Differenzierung zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und vertraglichem Mehrurlaub im Arbeitsvertrag zulässig und zu empfehlen, um so zumindest beim vertraglichen Mehrurlaub Gestaltungsspielräume nutzen zu können.

Wenn wir Sie bei der Umsetzung der rechtlichen Neuerungen in Ihrem Unternehmen unterstützen können oder Sie Fragen zu diesem Themenkreis haben, sprechen Sie uns jederzeit gerne an.

Ihre Wipfler Rechtsanwälte